Ich war bei einer deutschlandweiten Riesling-Blindverkostung der Slow Food Organisation. Erstens habe ich sowas noch nie gemacht und zweitens klang es schon in der Beschreibung sehr interessant. Deutschlandweit am gleichen Abend, und die Ergebnisse werden dann übers Internet gesammelt und verglichen. Da bin ich doch dabei.
Am 29.2. machte ich mich dann auf ins Frankfurter Nordend. Vorher noch schnell sechs Weingläser kaufen, die hatte ich nämlich nicht. Jacques‘ Wein-Depot hat dagegen Sechsersets mit den genormten Probiergläsern für 12 Euro, also noch schnell einen Abstecher dahin, Gläser kaufen und weiter.
In der Vinoresca Weinboutique ist schon alles aufgebaut, eng stehen die Stühle am Tisch nebeneinander, denn so groß ist es hier nicht, an jedem Platz liegen schon Papier zum Schreiben, Sterne zum Weinglasmarkieren und Punkte zum Kleben. Außerdem Wasser (nie verkehrt).
Ich bringe meinen Mantel und die Tasche weg, dann spüle ich noch schnell die fabrikneuen Gläser durch und dann setze mich einfach mal irgendwo hin und bastele die Sternchen an meine Gläser.
So langsam trudeln auch die letzten Teilnehmer ein. Siebzehn sind es insgesamt und vom Gefühl her würde ich behaupten, lediglich vier davon (einschließlich mir) haben nicht direkt was mit dem Slow-Food-Verein oder der Weinboutique zu tun.
Alle packen ihre Gläser aus, so dass zum Schluss gute hundert Weingläser auf dem Tisch stehen. Und während noch Neuigkeiten ausgetauscht werden und geprüft wird, ob jetzt wirklich alle da sind, werden die Weinflaschen schon mal präpariert. Es ist schließlich eine Blindverkostung.
An den Uhren steht im Übrigen nicht Berlin, New York oder Tokyo, sondern Napa Valley, Mendoza, Rheingau und Hunter Valley, damit man auch immer weiß, ob die Winzer wach sind oder nicht. Mit einer kleinen Verspätung geht es um 19:45 los, es wird noch mal der Verlauf des Abends erklärt. Die Weine sind farblich gekennzeichnet, die Etiketten hübsch mit Paketklebeband abgeklebt und wer an der Flasche erkennt, wo der Wein her ist, der soll bitteschön den Mund halten und nichts verraten. Zu jedem Wein sollen wir uns ein Wort einfallen lassen, das den Wein beschreibt und jeder hat 6 Punkte zum Verteilen. Ob man einem Wein sechs Punkte gibt oder allen sechs je einen (“Wenn jetzt alle gleich schlecht sind”, wird gescherzt), oder irgendwas dazwischen, darf jeder selbst entscheiden.
Es gibt einen Einstiegsaperitif, den man weder beschreiben noch bepunkten braucht. Und dann geht’s aber wirklich los.
Weinflaschen werden rumgereicht, mal linksrum, mal rechtsrum. Bei siebzehn Leuten muss dann auch jeweils direkt eine zweite Flasche von jeder Farbe rausgeholt werden und es gibt immer wieder ein bisschen Verwirrung, welcher Wein jetzt zu welchem Stern gehört (gelb zu orange, rot zu rosa und schwarz zu grau).
Ich schnuppere direkt mal testweise. Bei ein paar Weinen rieche ich schon was, andere bleiben tendenziell geruchsneutral und ich ahne, das wird schwieriger als ich dachte.
Zögernd mache ich die ersten Versuche, assoziativ tätig zu werden. Der weiße Wein riecht nach nichts und schmeckt irgendwie auch nach nichts. Ich schreibe “neutral” hin, was soll man dazu sonst auch sagen? Er schmeckt ja noch nicht mal schlecht, nur eben irgendwie nach nichts.
Nebenbei gehen die Diskussion los. Zu dem grünen Wein, der tatsächlich einen sehr auffälligen Geruch hat, fällt auf einmal das Wort “Katzenpisse” und wenn man das einmal gehört hat, kriegt man es schwer wieder aus dem Kopf. Tatsächlich riecht der Wein irgendwie grasig, neben mir assoziiert man “Grüntee”. Ich entscheide mich schlussendlich für “Grapefruit”.
Zu Essen gibt es im Übrigen auch was. Im Raum nebenan ist ein kleines Büffet mit Brot, Käse, Wurst und einem großen Topf Suppe aufgebaut, das dann auch schnell geplündert wird. Zum einen wegen Hunger, zum anderen, weil man ja auch etwas zum neutralisieren braucht. Und, wie ebenfalls vorgeschlagen wird, man könnte ja auch die Weine in Kombination mit dem Essen probieren, und gucken, ob sie dann anders wirken.
Bei mir tun sie das tatsächlich, aber auf eine wenig hilfreiche Art und Weise. Auf einmal schmecken Weine nach Wurst und Käse, was aber wohl weniger am Wein liegt als an dem, was ich vorher gegessen habe. Also immer schön mit Brot neutralisieren und gelegentlich mal nachschenken.
So langsam kristallisieren sich bei mir die Kandidaten raus, denen ich Punkte geben werde. Der weiße, gelbe und blaue Wein fallen raus. Nicht, weil sie schlecht wären, sondern, weil sie schlichtweg irgendwie alle gleich nichtssagend schmecken. Der blaue Wein scheint aber bei anderen Mitverkostern sehr gut anzukommen, meine Assoziation ist “Weißwein”. Sieht aus wie ein Weißwein, schmeckt wie ein Weißwein, riecht wie ein Weißwein. Nicht besonders aussagekräftig, aber was soll man machen.
Zum gelben fällt mir “blumig” ein, weil er irgendwie ein bisschen süsslich duftet. Geschmacklich ähnlich unspannend wie der blaue und der weiße.
Bleiben also rot, schwarz und grün. Der rote ist super, ich weiß noch nicht mal genau wie so. Nach intensivem Rumschnüffeln am Glas notiere ich “Zedern” auf meinem Zettel. Irgendwie hat der Wein eine holzige Note, was aber durchaus positiv ist. Der schwarze und der grüne scheinen die Sorgenkinder der Runde zu sein, ich hingegen finde beide eigentlich ganz gut. Der grüne schmeckt sehr frisch und leicht säuerlich, der schwarze erinnert mich aus irgendeinem Grund an “Zitronenlimonade”, so steht es dann auf jeden Fall auf meinem Zettel.
Es steht also fest, rot ist mein Favorit, dann folgt grün und dann schwarz. Und so langsam fangen auch alle an, sich zum Flipchart zu begeben und zu schreiben und zu kleben.
Als alle fertig sind, machen sich die Organisationsdamen daran, die Wörter einzutippen und die Punkte zu zählen. Nur einmal wird zum Entziffern nach hinten gebeten. Man hätte “altheistisch” gelesen, und das könnte vermutlich nicht richtig sein.
Wir trinken, essen und unterhalten uns also weiter, bis zum Ergebnis gebeten wird. The results, they are in.
Also zunächst mal die Ergebnisse von neun der zwölf teilnehmenden Gruppen. Die große Überraschung ist, dass die Ergebnisse der einzelnen Convivien nicht die Bohne ähnlich sind. Der schwarze Wein, der bei uns so phänomenal verloren hat (3 Punkte) ist zum Beispiel in der Lausitz der Favorit gewesen und landet in der Gesamtwertung auf Platz 2. Der blaue hingegen hat nirgendwo so viele Punkte bekommen wie bei uns, wo er auf dem dritten Platz landete und wird in der Gesamtwertung vorletzter.
Die Geschmäcker sind also durchweg verschieden. Die Auflösung der Weine folgt dann auch direkt, wobei ich mir eh nichts mehr merken kann und von Anbaugebieten ja sowieso keine große Ahnung habe.
Der rote Wein, mein Favorit, kommt jedenfalls aus Sachsen, der grüne Wein von der Mosel und der schwarze aus Baden. Wir erfahren auch, dass die Beschaffungsgeschichte des grünen Weins eine Geschichte voller Missverständnisse war, die wohl auch letztlich dazu geführt hat, dass der Wein etwas vorschnell produziert wurde, was dann wohl auch die unreife Note erklärt, die bei diesem Wein im Gespräch war.
Auf jeden Fall macht so eine Blindverkostung großen Spaß, denn man kann ja gar nicht anders als ohne Vorurteile an die Sache rangehen, wenn man nicht weiß, was man gerade trinkt.
Das nächste Mal gerne mit Rotwein, den mag ich sowieso lieber, aber so oder so: Super Organisation, ein spannender und sehr leckerer Abend, ich bin gerne wieder dabei.
Die Riesling-Blindverkostung fand im Vinoresca Weinladen in der Schwarzburgstraße 69 in Frankfurt am Main statt und wurde vom Slow Food Convivium Frankfurt organisiert.
Berichte aus dem Ruhrgebiet gibt es hier und hier, sowie einen weiteren aus Ingolstadt hier.