Als wir im Februar unseren Wochenendausflug nach Hamburg planten, stellte sich wie so oft die Frage danach, wo man essen sollte. Das ist in Hamburg nicht ganz einfach, wenn man fragt, bekommt man direkt mehr Hinweise, als man Abende (und Mittage) zur Verfügung hat und ist quasi sofort überfordert.
Wenn man dann aber schon eine kleine Auswahl beisammen hat, kommen Leute auf Instagram und veröffentlichen Bilder von Cocktails und Nachtischen und in dem Moment weiß man, genau da will man hin. Man muss nur noch rausfinden, was und wo das ist. In diesem Fall war es die Lilly und die Bilder kamen offenbar aus dem Bistro Carmagnole im Schanzenviertel. „Da gehen wir hin“, sagte ich nur und zeigte die Bilder meinem Mann. Und da gingen wir dann hin.
Eine Vorwarnung direkt. Das Bistro Carmagnole ist klein, voll und dementsprechend laut. Statt dessen kleine Holztische und wunderhübsche Bodenfliesen, Kellner mit dünnen französischen Schnurrbärten und viel Gewusel. Für ein romantisches Essen ist es also nur bedingt geeignet. Man muss entweder sehr laut reden, damit der andere einen versteht oder man redet einfach weniger und konzentriert sich statt dessen auf Essen und Trinken.
Womit wir schon beim Thema wären: Die Cocktails! Ich hätte sie alle probieren wollen, aber das schafft man leider an einem Abend nicht. Oder es wird ein sehr langer Abend und man nimmt in Kauf, danach sehr betrunken zu sein. Mein Mann und ich entscheiden uns beide für den Monsieur Provocateur, der aus Hendrick’s Gin mit Schwarztee-Infusion, Champagner, Granatapfel-Rote-Beete-Champagneressig-Rosen-Shrub und Verjus und vielleicht der beste Cocktail ist, den ich bislang irgendwo getrunken habe. Der Stil der klassischen Gläser ist noch vereist als der Cocktail an den Tisch gebracht wird. So kann es eigentlich weitergehen.
Mutig wie ich bin habe ich als Vorspeise die Markknochen bestellt, mein Mann nimmt den Couscous mit Fleisch im Brickteig (ich habe leider vergessen, was genau im Brickteig war). Auch sonst ist die Karte erkennbar Französisch: Austern, Boeuf Tartare, Artischocke, Couscous und Merguez sind auf der klassischen Karte, auf der wöchentlich wechselnde Karte stehen unter anderem Tafelspitz, Rote-Bete-Salat und ganze Dorade.
Die Markknochen werden auch vom Service empfohlen und entpuppen sich als exzellente Wahl. Begeistert kratze ich das Mark aus, dazu gibt es geröstete Brotscheiben und einen Petersiliensalat mit Kapern und Schalotten. Das ist alles, sowohl in den einzelnen Komponenten als auch im Zusammenspiel ganz großartig und im Prinzip könnte man einfach noch eine Portion nehmen.
Beim Hauptgang geht es dann wieder etwas bodenständiger zu (wobei man auch fragen könnte, was denn wohl bodenständiger ist als Markknochen). Ich habe Merguez mit Pommes Frites und Tomatensalat gewählt, mein Mann nimmt eine kleine Portion Boeuf Tartare. Auch hier ist alles top, natürlich sehen Würstchen auf Pommes erstmal wenig spektakulär aus, geschmacklich lässt sich aber auch hier nichts aussetzen. Dazu gibt es guten Wein, der Service empfiehlt und lässt probieren, hier muss man also nicht auf gut Glück bestellen.
Auch den geheimnisvollen Inhalt der Vitrine ergründe ich noch. Im Bistro Carmagnole kann man als Stammgast eine Flasche mit seinem Lieblingscocktail abfüllen lassen. Für 500 ml bezahlt man 60 Euro und kann sich dann bei jedem Besuch aus der eigenen Flasche das Glas nachfüllen lassen. Wären wir hier öfter, aber ach… Hamburg ist dann leider doch zu weit weg.
Auf der Wochenkarte steht Île flottante und das muss ich ja immer bestellen, wenn es irgendwo auf der Karte steht, insofern hat sich bei mir die Frage nach dem Dessert schnell geklärt. Mein Mann entscheidet sich für Soyer au Champagne, im Prinzip auch fast schon ein Cocktail, der aber dank einer Kugel Vanilleeis zum Dessert erklärt wird. Uns soll es recht sein. Auch hier wäre eine doppelte Portion vollkommen okay gewesen, nicht, weil es zu wenig gewesen wäre, sondern weil es so verdammt lecker war. Île flottante sind vom Prinzip her unspektakulär, eine Insel aus Eischnee schwimmt auf Vanillesoße, aber die Vanillesoße ist nun mal zum Vergöttern. Man reiche mir einen Eimer davon.
Zum Abschluss nehmen wir noch jeder einen Cocktail. Für mich wird es ein Dessert-Cocktail, der mit Salzmandeln serviert wird und leider aktuell nicht auf der Karte steht. Da ich mir die einzelnen Komponenten bei bestem Willen nicht merken konnte, sei einfach vermerkt, dass er dem Monsieur Provocateur in nichts nachstand. Für meinen Mann wird es ein Cocktail mit Whisky und Trüffelaroma. Nebenan wird ein Moscow Mule in der traditionellen Kupertasse serviert.
Glücklich und volltrunken treten wir den Heimweg an, allerdings anders als auf dem Hinweg mit dem Taxi. Zuhause merkt meine Mann, dass er seine Mütze im Lokal vergessen hat. Ein Telefonanruf im immer noch offensichtlichen brummenden Bistro, die Mütze wird gefunden. Am nächsten Tag holen wir sie ab und erkunden dabei noch das Frühstücksangebot des Bistro Carmagnole. Aber das ist einen andere Geschichte.
Befände sich das Bistro Carmagnole in Essen oder Köln oder wir uns in Hamburg, wir wären wohl regelmäßig da. Aber so müssen wir uns damit begnügen, einen Besuch für den nächsten Hamburgausflug als mandatorisch schon mal festzulegen.
Bistro Carmagnole
Juliusstraße 18
22769 Hamburg
Telefon: 040 40186115
camille@carmagnole.de
Küche geöffnet: Dienstag bis Sonntag 18.00 bis 22.00 Uhr
Frühstück: Samstag und Sonntag von 11.00 bis 15.00 Uhr